Von den Bestrebungen, in Šumperk [Mährisch Schönberg] ein Bezirksarchiv einzurichten, erfahren wir erstmals aus den Protokollen des Bezirksnationalausschusses im Jahr 1947. Die Absicht wurde ein Jahr später verwirklicht; das Bezirksarchiv Šumperk [Mährisch Schönberg] war damals die einzige Einrichtung dieser Art in Nordmähren. Es war in zwei Räumen der Burg Šumperk (früher Žerotín [Zierotin]) untergebracht, wo bis dahin das Archiv der Stadt Šumperk untergebracht war. Mit dem Erlass der Regierungsverordnung Nr. 29/1954 GB. wurde das Bezirksarchiv Šumperk Teil des landesweiten Netzes der staatlichen Archive. Vier Jahre später erwarb das Archiv ein eigenes Gebäude in der Kladská-Strasse [Glatzer-Strasse] (das heutige Haus Geschader).
Die weitere Ausrichtung des Archivs wurde wesentlich durch die Änderung der territorialen Organisation beeinflusst. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die territoriale Gliederung des Staates (Nr. 36/1960 GB) im Jahr 1960 wurde der Zuständigkeitsbereich des Archivs Šumperk[Mährisch Schönberg] auf die ehemaligen Bezirke Zábřeh [Hohenstadt an der March] und Jeseník [Freiwaldau] erweitert. Die dort aufgelösten Archive wurden zu seinen Zweigstellen.
Ungeachtet des ständig wachsenden Umfangs der verwalteten Dokumente verschlechterte sich der technische Zustand der vom Archiv genutzten Gebäude. Aufgrund des schlechten Zustands wurde das Archivgebäude in der Kladská-Strasse im Jahr 1984 geschlossen. Der Archivbestand wurde in sieben Ausweichdepots ausserhalb der Stadt Šumperk ausgelagert. Bereits 1985 wurde mit dem Bau eines zweckmässigen Gebäudes in der Bratří Čapků-Strasse [Gebrüder Čapek-Strasse] begonnen (es war der erste archivische Zweckbau in Mähren). Die Kapazität des fertiggestellten Gebäudes erwies sich jedoch bald als unzureichend. Die im Archiv gelagerten Dokumente mussten teilweise in anderen Gebäuden untergebracht werden, und der Studienraum bot nur zwei Plätze für Forscher. Deshalb wurde im August 1995 mit dem Umbau und der Erweiterung des Staatlichen Bezirksarchivs Šumperk begonnen. Im April 1998 wurde das Gebäude fertiggestellt und in Betrieb genommen. Das neue Gebäude mit einer Lagerkapazität von 7 500 Laufmetern und neun Forscherplätzen wird seither unverändert genutzt.
Im Jahr 1996 wurde der Bezirk Jeseník erneuert. Im Zusammenhang mit dieser Änderung hörte das Archiv Jeseník auf, eine Zweigstelle des Staatlichen Bezirksarchivs Šumperk zu sein, und wurde zu einem selbständigen Bezirksarchiv. Das Jahr 2002 war ein wichtiger Meilenstein für den weiteren Betrieb des Archivs in Šumperk. Infolge der Gebietsreformen, die unter anderem die Abschaffung der Bezirksämter mit sich brachten, wurde das Staatliche Bezirksarchiv Šumperk ein organisatorisches Glied des Landesarchivs in Opava [Troppau].
Die Hauptaufgabe des Staatlichen Bezirksarchivs Šumperk besteht in der Betreuung des gelagerten Archivguts und in der Sicherstellung seiner Zugänglichkeit für die Forscher. Das Archiv kontrolliert u.a. die Durchführung des Archivierungsdienstes bei den Organisationseinheiten des Staates mit Bezirks- oder Gemeindekompetenz, bei den Organen der lokalen Selbstverwaltungseinheiten und führt die Auswahl des Archivguts im Schredderverfahren und ausserhalb des Schredderverfahrens durch. Gegenwärtig verwaltet das Staatliche Bezirksarchiv Šumperk 1922 Bestände mit einem Gesamtvolumen von 3170 Laufmetern. Die Deposita enthalten Dokumente aus den Beständen der Städte und Gemeinden, Zünfte, Dokumente von Pfarrämtern und Dekanaten, Vereinen, Genossenschaften, Schulen, Bezirksämtern sowie der sogenannte persönliche Bestände. Darüber hinaus verwaltet das Archiv mehrere Sammlungen, wie die Katastralkarten-sammlung oder die historische und dokumentarische Sammlung, die vor allem für Ausstellungszwecke genutzt wird. Zum Archiv gehört auch eine Bibliothek, die seit 1958 aufgebaut wurde und Fachliteratur zur tschechischen, Welt- und insbesondere zur regionalen Geschichte, zu historischen Hilfswissenschaften und Archiven sowie eine Reihe von Zeitschriften, gebundenen Zeitungen und Dissertationen enthält, die auf dem Studium der im Archiv deponierten Dokumente basieren; die Bibliothek enthält auch eine Reihe von redaktionellen Bearbeitungen historischer Quellen. Einen gesonderten Teil bilden die Bibliothek des Nachlasses des Soldaten, Volkskundlers und Sammlers von Volksliedern Bohuslav Indra mit mehr als tausend Bänden und die Bibliotheken der einzelnen Gemeinden mit vielen seltenen Drucken.
Grundmerkmale der Bestände zur Geschichte der Familie des Hauses Liechtenstein
Eine Reihe von Städten und Dörfern, die heute in den Zuständigkeitsbereich des staatlichen Bezirksarchivs Šumperk fallen, gehörten zum Besitz der Familie des Hauses Liechtenstein. Wir begegnen diesem Adelsgeschlecht erstmals Ende des 16. Jahrhunderts, als Karl von Liechtenstein nach dem Aussterben der Familie Boskovice durch Heirat mit Anna Černohorská von Boskovice die Herrschaft Úsov [Mährisch Aussee] erwarb. Die weitere Ausdehnung der Familienherrschaft ist mit dem bereits erwähnten Gründer des Fürstenhauses, Karl I. von Liechtenstein, verbunden. In der Zeit des Ständeaufstandes stellte er sich loyal auf die Seite Kaiser Ferdinands II., wofür er mit umfangreichen Ländereien belohnt wurde, die den aufständischen Mitgliedern der Ständegemeinschaft entzogen wurden. So erwarb er 1622 die Güter Bludov [Blauda], Kolštejn [Goldenstein], Zábřež [Sabresch] und Ruda [Eisenberg], zu denen noch die Güter Šilperk ([Mährisch Schildberg] das heutige Štíty), Bohdíkov [Böhmisch Märzdorf], Bartoňov [Bartelsdorf] und Temenice [Hermesdorf] kamen. Die Stadt Šumperk erlitt wegen ihrer Beteiligung am Ständeaufstand das gleiche Schicksal und verlor das Privileg von Kaiser Ferdinand I. aus dem Jahr 1562, das sie zur Stadt der königlichen Kammer erklärte, einschliesslich weiterer Privilegien und Freiheiten, und wurde der Obhut Karls I. von Liechtenstein anvertraut; sie blieb bis 1848 unter der Verwaltung der fürstlichen Familie. Seit 1802 besass die Familie Liechtenstein auch die Burg Velké Losiny [Gross Ullersdorf]. Im Jahr 1945 wurde der Besitz durch die Präsidialverordnung Nr. 12/45 GB beschlagnahmt.
Die Akten der Herrschaften (Grossgüter), die sich im Besitz der Familie Liechtenstein befanden, sind heute in der Olmützer Filiale des Landesarchivs in Opava zu finden. Die im Archiv des Staatsbezirks Šumperk aufbewahrten Dokumente, die den Forschern zur Verfügung stehen, sind überwiegend amtlicher Natur; es handelt sich mehr oder weniger um Einzelstücke, die vor allem in den Beständen der Städte und Gemeinden verstreut sind, die unter die liechtensteinische Verwaltung fielen. Davon zeugt die Urkunde Alois Josephs von Liechtenstein aus dem Jahr 1802, in der er die früheren Privilegien des Dorfes Pusté Žibřidovice [Wüst Seibersdorf] in Bezug auf die Arbeit bestätigt. Neben dem relativ reichhaltigen Dokumentenmaterial, das in den Sammlungen des Stadtarchivs Staré Město [Mährisch Altstadt], des Stadtarchivs Šumperk, des Stadtarchivs Zábřeh [Hohenstadt an der March] und in den Sammlungen anderer Gemeinden (Branná [Bord früher Goldenstein], Pusté Žibřidovice usw.) enthalten ist, enthält das Staatliche Bezirksarchiv von Šumperk verschiedene an liechtensteinische Beamte gerichtete Korrespondenz (Anträge und Beschwerden). Erwähnenswert sind auch die zahlreichen Pläne und Skizzen der fürstlichen Jagdreviere, die sich im Bestand des Bezirksamtes Šumperk-I befinden. In den Depots der Archive von Šumperk finden wir praktisch keine Dokumente persönlicher Natur, die mit den Liechtensteinern in Verbindung gebracht werden könnten. Die einzige Ausnahme sind die zu Beginn des 20. Jahrhunderts verfassten Memoiren des liechtensteinischen Gärtners Franz Slabý, die Ereignisse von 1802 festhalten; die Memoiren sind Teil der historischen Dokumentationssammlung. Zweifellos interessant ist das Protokoll aus dem Jahr 1880 über die Exhumierung und anschliessende Beerdigung der Lichtensteiner aus dem Archiv der Gemeinde Velké Losiny [Gross Ullersdorf].
In den Sammlungen der Bezirks- und Landesausschüsse befinden sich Dokumente, die Informationen über die Beschlagnahmung von liechtensteinischem Vermögen im Jahr 1945 enthalten.
Übersicht der Bestände zur Geschichte der Familie des Hauses Liechtenstein
Archiv města Staré Město [Archiv der Stadt Mährisch Altstadt] 1437–1945 (1946)
Archiv města Štíty [Archiv der Stadt Štíty (bis 1949 Šilperk = Mährisch Schildberg] 1521–1945
Archiv města Šumperk [Archiv der Stadt Mährisch Schönberg] (1402) 1419–1945 (1947)
Archiv města Zábřeh [Archiv der Stadt Hohenstadt an der March] 1411–1945 (1967)
Archiv obce Bludov [Blauda] 1565–1945 (1947)
Archiv obce Branná [Archiv der Gemeinde Bord] /1560/–1945
Archiv obce Úsov [Archiv der Gemeinde Mährisch Aussee] 1547–1945 (1946)
Okresní úřad Šumperk – I. [Bezirksamt Mährisch Schönberg] (1786) 1850–1939 (1948)
Okresní úřad Zábřeh [Bezirksamt Hohenstadt an der March] (1726) 1850–1938 (1953)
Sbírka historicko-dokumentační [Historisch-dokumentarische Sammlung] 1784–2004
Kontaktangaben
Státní okresní archiv Šumperk
Bratří Čapků 2684/3
787 01 Šumperk
Tel. +420 583 212 248
E-Mail:
https://www.archives.cz/web/soka/sumperk
Literatur
Březina, Jan: Vlastivěda moravská II. Místopis. Šumperský okres, Staroměstský okres, Vízmberský okres. [Heimatkunde Mähren II. Ortsgeschichte. Bezirk Mährisch Schönberg. Bezirk Altstadt. Bezirk Wiesenberg.]. Brno 1932.
Březina, Jan: Zábřežsko v období feudalismu do roku 1848 [Region Hohenstadt an der March in der Zeit des Feudalismus bis 1848]. Ostrava 1963.
Hosák, Ladislav: Historický místopis země moravskoslezské [Historische Ortsgeschichte der Mährisch-Schlesischen Region]. Praha 2004 (reprint 1. vyd. [(Nachdruck der 1. Auflage], Praha 1938).
Juřík, Pavel: Moravská dominia Liechtensteinů a Dietrischsteinů [Mährische Dominien der Liechtensteiner und Dietrichsteiner]. Praha 2009.
Metzler, Miloš - Schulz, Jindřich a kol. [et al.], Vlastivěda šumperského okresu [Heimatkunde Bezirk Mährisch Schönberg]. Šumperk 1993.