Das Staatliche Bezirksarchiv Olomouc [Olmütz] entstand in seiner jetzigen Form im Zuge einer Gebietsreorganisation des Staates im Jahr 1960, als die früher in zwei Stadtarchiven (Olomouc und Uničov [Mährisch-Neustadt]) und drei Archiven kleinerer Bezirke (Litovel [Littau], Olomouc und Šternberk [Mährisch-Sternberg]) aufbewahrten Archivbestände zu seinem Bestandteil wurden.
Das Staatliche Bezirksarchiv Olomouc ist mit seinen 7646,16 Laufmetern aufbewahrten Archivmaterial (Stand zum 31.12. 2016) das größte Archiv dieser Art in der Tschechischen Republik. Er bewahrt Schriftstücke von Urhebern mit einem örtlichen oder bezirksmässigen Zuständigkeitsbereich auf, die im Gebiet des Bezirks Olomouc eine Tätigkeit ausgeübt haben oder bis heute ausüben. Der Bezirk Olomouc umfasst Gebiete der ehemaligen in der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen politischen Bezirke Olomouc-město [Olmütz-Stadt], Olomouc-venkov [Olmütz-Land], Litovel und Šternberk, die bei einer Reform der Staatsverwaltung im Jahr 1960 zusammengelegt wurden. Das Staatliche Bezirksarchiv befindet sich gemeinsam mit der Olmützer Zweigstelle des Landesarchivs in Opava [Troppau] in einem modernen zweckmässigen Archivgebäude, das nach einem Projekt von Ing. Arch. Pavel Pospíšil erbaut und im Jahr 1997 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Das in die Form eines geöffneten Buches stilisierte Gebäude steht in der Nähe des Olmützer historischen Zentrums. 2002 kam es zu einer organisatorischen Verbindung beider vorstehend genannten Einrichtungen, da infolge der damaligen Reform der Staatsverwaltung das Landesarchiv in Opava ebenfalls zum Träger des Olmützer Bezirksarchivs als seiner Organisationseinheit wurde.
Archivalien mit der Bezirksherkunft gliedern sich in Fonds der Ämter der Staatsverwaltung (z.B. Bezirksämter, Bezirksnationalausschüsse) und der Stadt- bzw. Gemeindeselbstverwaltung (Stadtarchive, Archive der ländlichen Gemeinden). Zu den bedeutendsten Fonds gehören hier Registraturen der historischen Städte Olomouc, Uničov, Šternberk und Litovel. Eine weitere Gruppe bildet das Schriftgut der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Notare, Archivalien der Einrichtungen wirtschaftlicher Art (Innungen, Gewerbegemeinschaften, Genossenschaften) und Schriftstücke der im Gesundheitswesen (Krankenhäuser, Krankenkassen) oder im Schulwesen und der Kultur (Schulen,Theater, Kinos) tätigen Urheber. Zu den interessantesten Quellen gehören Schriftstücke von Vereinen und anderen gesellschaftlichen Organisationen. Reich an Archivalien sind ebenfalls die Bestände kirchlicher Einrichtungen (Pfarrämter, Dechanate und Kirchenkonkurrenzausschüsse), Nachlässe bedeutender Persönlichkeiten der mittelmährischen Region und Sammlungsbestände.
Zu den wertvollsten Inventareinheiten gehören dann Urkunden (das älteste Mährisch-Neustädter Stadtprivileg aus dem Jahr 1223 ist zugleich die älteste Gründungsurkunde einer Stadt in den böhmischen Ländern sowie auch das älteste Archivale des Olmützer Archivs), einmalige Sammlung der Stadtbücher (zu den ältesten gehört das 1343 angelegte Stadtbuch von Olmütz, zu den bekanntesten dann das sog. Gedenkbuch [auf Tschechisch „památná kniha“] Wenzels von Iglau aus dem Jahr 1430) und ein Teil des Aktenmaterials (z.B. die Abteilung „Zlomky registratur [Bruchstücke von Registraturen] 1426–1786“ im Archiv města Olomouc [Archiv der Stadt Olmütz]).
Grundmerkmale der Bestände zur Geschichte der Familie des Hauses Liechtenstein
Unter den im Olmützer Archiv aufbewahrten historischen Quellen zur Geschichte der Familie Liechtenstein ist an erster Stelle der Bestand „Archiv města Šternberk“ [Archiv der Stadt Mährisch-Sternberg] anzuführen. 1693 kaufte Fürst Johann Adam von Liechtenstein das Sternberger Dominium, dessen Zentrum die Stadt Sternberg war. Die Liechtensteiner regierten dort dann bis zur Abschaffung der Untertänigkeit und der Patrimonialverwaltung. Unter ihrer Herrschaft machte Sternberg bedeutende Änderungen durch. Die Stadt verlor schrittweise ihre mittelalterlichen Vorrechte im Bereich der Gerichts- und Verwaltungsbefugnisse. Die vollziehende Gewalt wurde den Verwaltungs- und Gerichtsorganen übertragen, welche den absolutistischen monarchistischen Staat repräsentierten. Sternberg verwandelte sich zwar in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in eine selbstverwaltete Stadt, die Liechtensteiner beeinflussten jedoch auch weiterhin ihr Aussehen, wenn auch nur indirekt. Unübersehbar war vor allem die in den 1880er Jahren des 19. Jahrhunderts von Fürst Johann II. von Liechtenstein nach einem Projekt des Wiener Architekten Karl Kayser durchgeführte Renovierung der Burg Sternberg, die über dem historischen Stadtkern aufragt.
Der zweitbedeutendste Bestand dieser Art ist das „Archiv města Litovel“ [Archiv der Stadt Littau]. Litovel hat der Fürst Karl von Liechtenstein im Jahr 1597 nach dem Tod Johanns von Boskowitz und Černá Hora, genannt „Schembera“, des bisherigen Stadtbesitzers, geerbt. Karl erwarb den Erbanspruch dank seiner Heirat mit Johanns Tochter Anna. Die Stadt gehörte dem Haus Liechtenstein bis zur Abschaffung der Untertänigkeit und Aufhebung der Patrimonialverwaltung. Litovel, ursprünglich eine königliche Stadt, behielt unter der Herrschaft der Liechtensteiner die Stellung der sogenannten fürstlichen Munizipalstadt, welche auch weiterhin über eine breite Verwaltungs- und Gerichtsautonomie, umfangreiche Privilegien und ein eigenes Gut verfügte. 1850 wurde Litovel zur selbst verwalteten Stadt.
Für den dritten bedeutenden Bestand mit liechtensteinischen Quellen kann das „Archiv města Uničov“ [Archiv der Stadt Mährisch-Neustadt] gehalten werden. 1622 schenkte der Kaiser Ferdinand II. die königliche Stadt Uničov mit einem Sonderdekret dem Fürsten Karl von Liechtenstein. Als formaler Grund für diesen Schritt wurde die Bestrafung der Stadt für ihre Teilnahme am Ständeaufstand angegeben. In der Tat war es so, dass der Fürst von Liechtenstein als Besitzer der Nachbarstadt Litovel und der nahen Herrschaft Úsov [Mährisch Aussee] die Stadt vom Kaiser erbat, um seine Besitzungen in Nordmähren zu arrondieren. Die Lage änderte sich jedoch nach dem Tod des Fürsten Karl und nach der erfolgreichen Verteidigung der an der kaiserlichen Seite kämpfenden Stadt gegen das dänische Heer in den Jahren 1626–1627. Die Stadtbürger von Uničov wandten sich dann an den Kaiser Ferdinand II. mit einem Gesuch um die Rückerteilung der Vorrechte einer königlichen Stadt. Sie begründeten ihr Gesuch damit, dass die Rolle der Stadt im Ständeaufstand falsch interpretiert wurde und die meisten Stadtbürger in Wirklichkeit dem Kaiser treu blieben. Während einer langjährigen Untersuchung dieser Angelegenheit mussten die Stadtbürger von Uničov dem von den liechtensteinischen Beamten ausgeübten Druck entgegenwirken, gaben ihren Streit aber nicht auf. Im Jahr 1632 entschied der Kaiser schliesslich zu Gunsten der Stadtbürger und erhob Uničov mit der Wirksamkeit ab dem Jahr 1633 wieder zum früheren Stand einer königlichen Stadt. Die liechtensteinische Herrschaft ist somit in der Geschichte Uničovs nur blosse eine Episode geblieben.
Bei den relevanten Archivalien in allen vorstehend genannten Beständen handelt es sich um keine Schriftstücke persönlicher Art, sondern ausschliesslich um solche, die im Zuge der Verwaltung der oben genannten Städte seitens der Liechtensteiner und ihrer Beamten entstanden sind.
Übersicht bedeutender Bestände mit Liechtenstein-Bezug
Archiv města Šternberk [Archiv der Stadt Mährisch-Sternberg] (1364-1945)
Archiv města Litovel [Archiv der Stadt Littau] (1287-1945 (1953))
Archiv města Uničov [Archiv der Stadt Mährisch-Neustadt] (1223-1945)
Kontaktangaben
Státní okresní archiv Olomouc
U Husova sboru 10
CZ-779 00 Olomouc
Tel. +420 585 236 101
E-Mail:
https://www.archives.cz/web/soka/olomouc
Literatur
Stief, Wilhelm: Geschichte der Stadt Sternberg in Mähren. Schaffhausen: Thayngen, 1934.
Kaňák, Bohdan – Koudela, Miroslav – Mracký, Jan: Šternberk slovem a obrazem [Sternberg in Wort und Bild]. Praha: ARCUS, 1996.
Šik, Lubomír: Litovelské paměti [Memoiren von Littau]. Litovel,1994.
Burešová, Jana a kol. [et. al.]: Uničov, historie moravského města [Mährisch-Neustadt, die Geschichte einer mährischen Stadt]. Uničov 2013.